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Entgeltfortzahlung bei Kurzerkrankungen

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Der Arbeitnehmer muss die Voraussetzungen für die geforderte Entgeltfortzahlung darlegen und beweisen.
Er hat daher auch das Ende einer vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit vor Eintritt der aktuellen Erkrankung nachzuweisen.
Urteil des BAG vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18
Zitiert nach Presseerklärung Nr. 45/19
Leitsätze der Unterzeichnerin

Die Arbeitnehmerin war wegen eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber hatte aufgrund dieser Erkrankung bereits 6 Wochen Entgeltfortzahlung geleistet. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung dauerte nach den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes bis zum 18. Mai. Am 19. Mai wurde die Arbeitnehmerin wegen eines gynäkologischen Leidens operiert und war deshalb bis zum 30. Juni arbeitsunfähig.
Sie forderte vom Arbeitgeber die Zahlung von erneuter Entgeltfortzahlung ab dem 19.05. wegen der gynäkologischen Erkrankung und wies darauf hin, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 19.05. eindeutig um eine andere Erkrankung handelte. Nach den ärztlichen Bescheinigungen sei sie zwischen diesen beiden Erkrankungen arbeitsfähig gewesen.
Der Arbeitgeber bestritt das Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit und lehnte die Zahlung ab, da seiner Auffassung nach ein „einheitlicher Versicherungsfall“ vorlag, so dass er nur einmal zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei.
Nach sich widersprechenden Entscheidungen der Instanzgerichte wies das BAG die Klage ab, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen des psychischen Leidens bei Beginn der neuen Erkrankung wegen des gynäkologischen Leidens beendet war. In einer Beweisaufnahme vor dem Landesarbeitsgericht hatte der behandelnde Arzt der Klägerin insbesondere dargelegt, dass eine erneute Untersuchung der Klägerin bei der Festlegung des Endes der ersten Arbeitsunfähigkeit zum 18.05. nicht erfolgt sei.
Die Entscheidung setzt sich mit einem wesentlichen Problem bei der Entgeltfortzahlung auseinander, das aufgrund der zunehmenden langwierigen psychischen Erkrankungen auch große praktische Bedeutung hat.
Die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), die für 6 Wochen in der Höhe des „normalen“ Bruttoeinkommens gewährt wird, ist die höchste Absicherung gegen Krankheit im Arbeitsverhältnis. Das nachfolgende Krankengeld ist mit 70 % des Bruttogehaltes deutlich geringer.
Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht grundsätzlich bei jeder neuen Erkrankung. Er ist aber dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Dies ist der sog. Grundsatz der „Einheit des Verhinderungsfalls“. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits nachweisbar zu dem Zeitpunkt beendet war, an dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder zumindest arbeitsfähig war. Hierfür reichen auch wenige Stunden, die außerhalb der Arbeitszeit liegen, aus.
Das BAG nun stellt fest, dass der Arbeitnehmer nicht nur die Arbeitsunfähigkeit an sich sondern auch deren Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit beweisen muss. Hierfür stehen ihm als Beweismittel die Aussage seiner Ärzte und dessen Untersuchungsergebnisse zur Verfügung. Kann der Arbeitnehmer Beginn oder Ende der Arbeitsunfähigkeit durch die Aussagen seiner Ärzte nicht nachweisen, verliert er den Anspruch auf erneute Entgeltfortzahlung.

Fazit:
Für die Praxis ist es daher wichtig, durch ärztlich dokumentierte Untersuchungen den Verlauf einer Erkrankung und insbesondere das Ende der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Allein die auslaufende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht hierzu als Beweis zumindest dann nicht aus, wenn kurz danach eine weitere Arbeitsunfähigkeit eintritt.

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